- Wirtschaftsnobelpreis 1982: George Joseph Stigler
- Wirtschaftsnobelpreis 1982: George Joseph StiglerDer Amerikaner erhielt den Nobelpreis für seine Analysen der Industriestruktur und Funktionsweise von Märkten sowie für seine Untersuchungen über die Ursachen und Wirkungen staatlicher Regulierung.George Joseph Stigler, * Renton (Washington) 17. 1. 1911, ✝ Chicago (Illinois) 2. 12. 1991; Studium an den Universitäten in Washington und Chicago, 1936-38 Assistenzprofessor am Iowa State College, 1938 Doktor der Philosophie an der University of Chicago, danach Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten, 1958-91 Professor für US-amerikanische Institutionen an der University of Chicago, 1977 Gründung des Center for the Study of the Economy and the State in Chicago.Würdigung der preisgekrönten LeistungMit seiner streng empirischen Ausrichtung leistete Stigler fundamentale Beiträge auf dem Gebiet der Marktprozess- und der Industriestrukturanalyse. Er war einer der ersten, der sein Forschungsgebiet an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Rechtswissenschaft ansiedelte.Marktprozess und IndustriestrukturTrotz ihres hohen Abstraktionsgrades ist die klassische Wirtschaftstheorie in der Lage, die dominierenden Eigenschaften von Marktereignissen zu erklären und vorherzusagen. Dennoch kann sie eine Reihe individueller Marktphänomene nicht nachweisen. Hierzu zählt zum Beispiel die Tatsache, dass unterschiedliche Preise selbst bei nahezu homogenen Gütern bestehen. Stigler versuchte, gerade diese Eigenheiten von Märkten und deren strukturelle Entwicklung im Rahmen der klassischen Annahmen über das Optimierungsverhalten von Unternehmen und Haushalten zu erklären. Veranschaulicht wird dies in Stiglers Untersuchungen über die Rolle der Information in Marktprozessen. In der klassischen Theorie geht man davon aus, dass der Marktprozess — sieht man von Transportkosten ab — zu einem einheitlichen Preis für ein bestimmtes Gut führt. In der Praxis lassen sich jedoch auf den meisten Märkten Preisdifferenzen beobachten, die aus Suchkosten und Kosten der Informationsverbreitung resultieren. Marktteilnehmer versuchen, durch Sammeln von Informationen ihr mangelndes Wissen über Güter und deren Preise zu verringern. Dabei ist ein Marktteilnehmer über die Wahl seiner Entscheidung umso sicherer, je mehr Informationen ihm zur Verfügung stehen. Unter der Annahme von nutzenmaximierenden Verhalten der Marktteilnehmer werden Unternehmen und Haushalte so lange Informationen nachfragen, wie der erwartete Nutzen einer zusätzlichen Informationseinheit die hieraus entstehenden Suchkosten übersteigt.In einer weiteren Studie überprüfte Stigler die These der neoklassischen Konzeption, dass sich Rentabilitätsunterschiede durch Kapitalbewegungen von ertragsschwachen zu ertragsstarken Unternehmen ausgleichen. Er konnte nachweisen, dass Ertagsunterschiede selbst dann verschwinden, wenn der Prozess länger als ein Jahrzehnt andauert. Der Grund für einen langfristigen Ausgleich in den Rentabilitätsunterschieden ist darauf zurückzuführen, dass häufig neue Unternehmen und Sektoren mit hoher Produktivität entstehen, welche die nicht mehr profitablen Unternehmen verdrängen. Mit der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaftssysteme würden sich diese Tendenzen laut Stigler verstärken.Darüber hinaus entwickelte Stigler das »Survivor-Prinzip«, mit dem das Fortbestehen und die Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen analysiert werden kann. Bei seinen Untersuchungen über die Bedeutung der Unternehmensgröße in verschiedenen Branchen konnte er zeigen, dass eindeutige Folgerungen über Größenvorteile nicht auf der Grundlage von Kostenbetrachtungen abgeleitet werden können, um schließlich die optimale Betriebsgröße zu bestimmen. Stattdessen hängen die Überlebensfähigkeit und die Entwicklungsmöglichkeiten von Unternehmen von zahlreichen Faktoren ab, die in der Realität nur schwer zu beobachten sind. Das »Survivor-Prinzip« besagt nun, dass zunächst die Kategorien von Firmen zu bestimmen sind, welche die Fähigkeit zum Überleben aufzeigen. Anschließend sollte man die Merkmale ausmachen, die für eine solche Fähigkeit verantwortlich sind.Des Weiteren beschäftigte sich Stigler mit der Preissetzung in der amerikanischen Industrie sowie bei den Markformen Monopol und Oligopol.Ursachen und Wirkungen staatlicher RegulierungDie Theorie der staatlichen Regulierung befasst sich mit der gegenseitigen Beeinflussung von Wirtschaft und Politik. Stigler untersuchte die Auswirkungen ordnungspolitischer Markteingriffe auf den Wettbewerb und analysierte, welche Kräfte wirken, um die Gesetzgebung in eine gewünschte Richtung zu lenken. Er kam zu der Erkenntnis, dass staatliche Eingriffe in den Markt bestenfalls einen geringen gesamtwirtschaftlichen Nutzen haben. Obwohl Staatseingriffe dem Schutz und Interesse der Verbraucher dienen sollten, benachteiligen sie in den meisten Fällen die Konsumenten. Der Ausschluss potenzieller Wettbewerber und die damit verbundene Monopolstellung einzelner Unternehmen in einem bestimmten Markt führen zu ineffizienten Marktergebnissen in Form einer schlechteren Versorgung beziehungsweise Qualität, höheren Preisen und höheren Gewinnen. Bei steigendem Wachstum des regulierten Sektors erhöhen sich die Gewinne der geschützten Unternehmen zusätzlich. Firmen, die sich bereits im Markt befinden, werden über politische Einflussnahme versuchen, Markteintrittsbarrieren auszubauen, um potenzielle Anbieter vom Marktzutritt abzuhalten. Regulierungsbehörden verfolgen bei der Korrektur angeblichen Marktversagens nicht das Ziel der sozialen Wohlfahrt, sondern unterliegen dem Einfluss verschiedener Interessengruppen. In empirischen Untersuchungen konnte Stigler dann auch starke Umverteilungseffekte und Wettbewerbsverzerrungen nachweisen. Allerdings muss nicht jede regulierende Maßnahme mit Ineffizienzen verbunden sein. Schutzvorschriften, wie die Zulassungsbeschränkung für ausschließlich geprüfte Arzneimittel, können durchaus zweckmäßig sein. Darüber hinaus kann bereits potenzieller Wettbewerb, also die Möglichkeit des Markteintritts konkurrierender Unternehmen, disziplinierend auf Monopolisten wirken und dafür sorgen, dass die unbeabsichtigten Nebenwirkungen einer Regulierung unterbleiben.Ein engagierter WirtschaftsliberalerIm Jahr 1946 nahm George Stigler an einer Konferenz in der Schweiz teil, die sich mit den Gefahren einer freien Gesellschaft beschäftigte. Im Rahmen der Tagung entstand die nach dem gleichnamigen Schweizer Ort benannte Mont-Pèlerin-Gesellschaft. Diese Vereinigung liberaler Wirtschaftsvertreter aus aller Welt wuchs bald auf mehrere hundert namhafte Mitglieder an, die sich für die Erreichung und Beibehaltung des Friedens einsetzen. Seither dient die vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und der Ausbreitung von Faschismus und Kommunismus gegründete Gesellschaft als Forum für philosophische, volkswirtschaftliche und politische Ideen und Gespräche. Stigler war seit der Gründung aktives Mitglied und von 1976 bis 1978 Präsident der Gesellschaft.R. Füss, G. Vorsatz
Universal-Lexikon. 2012.